Astitit regina a dextris tuis in vestitu deaurato,

circumdata varietate. (Ps. 44, 10b)


Gedanken über die Schönheit und Reinheit

des katholischen Glaubens und der Liturgie

09 August 2024

AUS DEM LABOR DER GUTEN SITTEN




Ich wage mich heute einmal auf ein schwieriges Feld, das der korrekten Anrede von Geistlichen.

Schwierig, weil es im allgemeinen öffentlichen (ich sage nicht: gesellschaftlichen) Verkehr recht ungezwungen zugeht, man von Werbeplakaten und Durchsagen in Geschäften geduzt oder Begegnungen Erwachsener stets durch ein kindisches "Hallo" und "Tschüß" umrahmt sind.

Schwierig auch, weil ich als Priester eigentlich nicht darüber reden kann, wie man Geistliche richtig anspricht — da schwingt etwas persönlich Betroffenes oder Gekränktes mit, was ich aber nicht so empfinde.


Ich schreibe nun darüber, weil ich schlicht davon ausgehe, daß hier größtenteils Unkenntnis vorherrscht, die ich beheben will.


Der Text, den ich Ihnen mitschicke, stammt aus dem kleinen Büchlein von P. Ludwig Hertling SJ, Priesterliche Umgangsformen, 1951.

Man muß etliches zeitbedingt betrachten, trotzdem kann man auch heute noch daraus lernen.



Zur Anrede:

Wenn ich als "Herr Dembski" angesprochen werde, ärgerte mich das früher.

Heute nicht mehr, ich sehe (von sehr wenigen Fällen einer bewußten antiklerikalen Provokation einmal abgesehen) hier Unkenntnis und Unsicherheit.


Die Anrede von Geistlichen ist im Deutschen kompliziert.

In anderen Ländern heißt es schlichtweg Father, Padre etc.

Im Deutschen braucht man bei Nicht-Ordensleuten einen Titel, Herr Kaplan, Herr Pfarrer, Herr Pastor etc.

Und das wäre dann die korrekte Anrede. "Hochwürden" ist immer möglich, auch bei Ordensgeistlichen, gilt aber in modernen Kirchenkreisen als sehr antiquiert — was nicht dagegen spricht.


Warum ist die korrekte Anrede von Geistlichen wichtig?

Naja, zunächst ist die Anrede jeder Person wichtig, auch gegenüber akademischen Titeln oder dem Adel und zeugt von guter Kinderstube, allen plebejischen und vulgären Tendenzen der heutigen Zeit zum Trotz.

Bei Priestern kommt m. E. noch eine geistliche Komponente hinzu.

Die Priesterweihe formt einen Menschen komplett um, man ist immer Priester.

Das zeigt die richtige Anrede, man ist keine bürgerliche Person mehr (wenn man natürlich seine bürgerlichen Rechte innerhalb des Staates behält).

Als "Herr Dembski" kann ich keine Messe zelebrieren, keine Beichte hören oder segnen etc.

Das kann ich nur als Priester, der ich immer bin.

Die Anrede, gerade "Hochwürden", ist dazu auch immer eine Erinnerung und Mahnung ("Exzellenz" beim Bischof umso mehr) des Trägers dieser Anrede.

Eine Mahnung also, seiner Priesterwürde immer gerecht werden zu wollen, auch wenn das ein Ideal bleibt.


Übrigens, wenn wir schon dabei sind, hier noch weitere Ratschläge, die vielleicht heute nicht mehr aktuell sind, was mir aber egal ist.

Der Mann redet niemals von sich selbst als "Herr".

Manchmal hört man das bei geschäftlichen Anrufen: "Guten Tag, hier ist Herr Schulze von der Versicherung X."

(Noch schlimmer: "Hier ist DER Herr Schulze" — nach hochdeutscher Grammatik sind alle Eigennamen determiniert und haben keinen Artikel, Vorstellungen mit: "... und das ist die Susanne" sind heute Legion und wahrscheinlich nicht mehr abzustellen.)

Das mag den Kommunikationsrichtlinien des Unternehmens geschuldet sein, ist aber sehr unfein.

Der Mann nennt also nur seinen Nachnamen.

Ich selbst muß zugeben, daß ich das am Diensttelefon nicht immer strikt einhalte und mich auch mit "Pastor Dembski" melde, allein, um Fremden gegenüber deutlich zu machen, daß sie nun richtig verbunden mit der Kirche sprechen.

Frauen dürfen sich selbst "Frau N." nennen.

Für mich klingt das immer etwas bourgeois , riecht nach Bürgerstolz.

Aber es ist möglich.



Zum Thema Anreden etc. könnte ich noch seitenweise schreiben, nur noch eine Anmerkung.

Ich selbst bin übrigens ein großer Freund des Siezens (dazu wollte ich auch mal wieder einen Podcast aufnehmen, fällt mir gerade ein) und sieze auch Minderjährige ab etwa 14 Jahren.

Für mich hat das etwas mit Respekt gegenüber dem anderen zu tun, sei er volljährig oder nicht.



03 April 2023

War das letzte Abendmahl, das unser Herr Jesus Christus am Gründonnerstag im Kreise Seiner Apostel beging, die erste Heilige Messe?

Die Hl. Messe ist die unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Jesu Christi (Aktualpräsenz), bei der der Heiland Seinen wahren Leib und Sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein zur Speise reicht (Realpräsenz).


Es ist unzweifelhaft, daß der Herr »beim letzten Abendmahle, …, seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein Gott, dem Vater, dargebracht und sie unter den Zeichen derselben Dinge den Aposteln (die er damals als Priester des neuen Bundes einsetzte) dargereicht, …« (Konzil von Trient, sess. XXII, cap. 1 / DH1740).

Für das Trienter Konzil ist es gesichert, daß die Wesensverwandlung in den Einsetzungsworten Christi am Gründonnerstag enthalten ist. Aufgrund Seiner göttlichen Allmacht muß aus den Worten des Heilands gefolgert werden, daß er Seinen Aposteln nicht mehr Brot und Wein, sondern Seinen Leib und Sein Blut reichte.


Was aber ist mit Seinem Opfer? Am Gründonnerstag stand Sein Kreuzesopfer ja noch bevor.


Nikolaus GIHR schreibt dazu (Das Heilige Meßopfer, §13, 61897): »Bevor er am Kreuze zum blutigen Schlachtopfer sich hingab, um von aller Ungerechtigkeit uns zu erlösen …, brachte er sich schon seinem himmlischen Vater als unblutiges Opfer dar unter den Gestalten des Brotes und Weines …«

Sein Opfer wird also schon dargebracht, zwar noch nicht blutig, wie am folgenden Tag, doch unblutig, das Kreuz vorwegnehmend. Somit ist am Gründonnerstag im Abendmahlssaal durch den Hohepriester Jesus Christus (schon) ein Opfer, nämlich Sein Opfer (Christus ist zugleich Opfermaterie wie auch Opferpriester) dargebracht worden, durch Denjenigen, der Sich als den für ewig aufgestellten Priester nach der Ordnung Melchisedechs erklärt.

Das Letzte Abendmahl war für Gihr also nicht bloß eine Art Kommunionfeier, sondern eben auch eine Opferfeier.


Und Matthias Joseph SCHEEBEN sagt (Dogmatik III, 1882, Nr. 1491): »Diese Feier [Das Letzte Abendmahl] ist nämlich nicht bloß als eine antizipierte Einsetzung der Gedächtnisfeier des Kreuzesopfers, sondern zugleich und zunächst als priesterliche Inauguration des Kreuzesopfers selbst anzusehen … In der Tat offenbart Christus durch die Darbringung seines Leibes und Blutes unter den Gestalten des Brotes und  des Weines jene souveräne Macht über seinen Leib, mit welcher er am Kreuze über denselben zur Heiligung der Menschen verfügt, sowie die von ihm seinem Leibe mitgeteilte göttliche Weihe, wodurch derselbe zum Träger göttlicher Lebenskraft wird«

Auch Joseph POHLE (Dogmatik III, 51912, S. 363f) erklärt in seinem neutestamentlichen Schriftbeweis des Meßopfers, daß die Blutvergießung Christi nicht erst am Kreuz, sondern schon vorher bei der Einsetzung Seines Opfers im Abendmahlssaal sich vollzog und dieses Opfer am Gründonnerstag ein wirkliches und wahres Opfer war, das als bleibende kirchliche Einrichtung, nämlich als Meßopfer eingesetzt wurde.

Die Blutvergießung Christi nicht erst am Kreuze, sondern schon beim Abendmahl zeigt sich für ihn im Text des Neuen Testaments selbst.

Es gibt vier Schriftstellen, die den »Einsetzungsbericht« erwähnen: Matth. 26, 28; Marc. 14, 24; Luc. 22, 20 und I Cor. 11, 25.


Die lateinische Vulgata verwendet, wohl mit Rücksicht auf das zukünftige Kreuzesopfer, passive Futurformen: effundetur, fundetur (ausgegossen werden). So wird das Abendmahlsopfer ein relatives Opfer in Bezug zum Kreuzesgeschehen am folgenden Tag.

Der griechische Urtext hingegen verwendet präsentische Partizipien (pass.), ἐκχυννόμενον, (vergossen werdend). Damit fällt die Blutvergießung, im Abendmahlssaale durch den Heiland ausgesprochen, in die Gegenwart: »Denn dies ist mein Blut des Bundes, für viele vergossen werdend zur Vergebung der Sünden« (Matth. 26, 28, griech. Text).


Sehr gut beschreibt Johannes BRINKTRINE (Die Lehre von den heiligen Sakramenten der katholischen Kirche Bd. 1, 1961, 369f) den Bogen zwischen dem Opfer im Abandmahlssaal und dem Kreuzesopfer.

Für ihn nimmt das Abendmahlsopfer eine besondere Stellung ein. Nach hinten betrachtet, da es vor dem absoluten Opfer des Kreuzes gefeiert wurde, die Vollendung des alttestamentarischen Opferdienstes und die Zusammenfassung aller Vorbilder und Opfer des alten Bundes.


Nach vorne hin gesehen zum Kreuz ist das Letzte Abendmahl das letzte und vollkommenste aller alttestamentlichen Vorbilder, da es vom Herrn und Erlöser selbst vollzogen wurde und das Opferlamm nicht mehr im alttestamenarischen Bild, sondern durch Christus wirklich zugegen war im Abendmahlssaal.

Weiter nach vorne ist das Letzte Abendmahl natürlich der Prototyp des Meßopfers und die Einsetzung des neutestamentlichen Priestertums. Opfergabe und Opferpriester sind beim Abendmahl, beim Kreuzes- und beim Meßopfer gleich.

Brinktrine geht weiter und sagt, daß das Abendmahlsopfer mehr ist als das Meßopfer, jenes ist Wirkursache (causa efficiens) aller nachfolgenden Meßfeiern, es ist die Quelle, aus der das Meßopfer hervorfließt. Denn der Priester setzt ja in der Hl. Messe keinen anderen Akt als die von Christus im Abendmahlssaal gesprochenen Worte.

»Das Meßopfer hängt also ganz und gar vom Abendmahlsopfer ab und durch dieses, also mittelbar, vom Kreuzesopfer. In bezug auf das Meßopfer könnte man also das Cenaopfer [Abendmahlsopfer] ein absolutes nennen und jenes auch in bezug auf dieses ein relatives.«


Das, was der Herr im Abendmahlssaal tat, als er den Aposteln Brot und Wein reichte, ist unzweifelhaft Sein Leib und Blut gewesen, wie in jeder Hl. Messe.

Und daß dies in Form Seines Opfers geschah, der für uns und für das Heil der Welt Seinen Leib und Sein Blut hingab, ist ebenfalls klar, unblutig am Gründonnerstag und im Meßopfer, blutig am Kreuz.

Somit ist sowohl die Realpräsenz als auch die Aktualpräsenz Christi bei Seinem Letzten Abendmahl gegeben.


Und trotzdem besteht noch ein wichtiger Unterschied.

Die Hl. Messe ist ein von Christus eingesetztes Sakrament, das seine Wirkung und Kraft erst aus dem vollendeten Kreuzesopfer zieht und der Kirche zur Verwaltung übergeben wurde.

Die Apostel wurden zwar im Abendmahlssaal mit der Fülle des Weihesakramentes ausgestattet (also zu Bischöfen geweiht), doch ist davon auszugehen, daß sie die Sakramente erst ab Pfingsten, als die Kirche öffentlich konstituiert wurde (gegründet wurde sie am Kreuz), angefangen haben zu spenden.


Christus hat also in diesem Sinn keine Messe im Abendmahlssaal »gefeiert«, er hat die Eucharistie und das Priestertum als Sakramente eingesetzt.

04 Juli 2022

Die Unversehrtheit des päpstlichen Lehramts -- ein kleiner Blick in die Kirchengeschichte

In unserer heutigen Zeit ist vielen Katholiken, Laien und Klerikern, nicht bewußt, wie wichtig die Vollständigkeit und Ganzheit der katholischen Lehre ist.
Wir haben uns daran gewöhnt, daß aus Rom und von den Kanzeln -- die heute ja eher Lesepulte o. ä. sind -- Dinge behauptet werden, die nicht mit der katholischen Lehre übereinstimmen.
Und auch das oberste Lehramt in der Domus Sanctae Marthae verwirrt mehr, als die Gläubigen zu stärken.

Ein schönes Beispiel, wie die Kirche früher selbst bei kleineren "Unschärfen" oder problematischen päpstlichen Aussagen zum katholischen Glauben reagierte, ist die Frage nach der seligen Anschauung Gottes der Verstorbenen bei Papst Johannes XXII. (1316-1334).

Zu der Geschichte gibt es eine amüsante Erwähnung im Roman "Der Name der Rose" von Umberto Eco.

Hier die Stelle:
»]a, das ist in der Tat eine finstere und fast unglaubliche Geschichte«, sagte der Angesprochene düster. »Es scheint, daß Johannes zu behaupten vorhat, die Gerechten würden erst nach dem Jüngsten Gericht das Antlitz Gottes schauen! Schon seit einiger Zeit meditiert er über den neunten Vers im sechsten Kapitel der Apokalypse, wo von der Öffnung des fünften Siegels die Rede ist und wo der Apostel sagt: 'Ich sah unter dem Altar die Seelen derer, die erwürgt waren um des Wortes Gottes willen und um des Zeugnisses willen, das sie gegeben hatten. Und sie schrien mit großer Stimme und sprachen: Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächest unser Blut an denen die auf der Erde wohnen?' Und da der Apostel fortfährt: 'Und ihnen wurde gegeben einem jeglichen ein weißes Kleid, und ward zu ihnen gesagt, daß sie sich gedulden sollten noch eine kleine Zeit, bis daß vollends dazukämen ihre Mitknechte und Brüder' und so weiter, meint nun der Papst, das sei dahingehend zu deuten, daß sie erst nach Vollendung des Letzten Gerichts die Herrlichkeit Gottes schauen würden ... « 
»Zu wem hat er das gesagt?« fragte Michael voller Bestürzung. 
»Bisher nur zu wenigen engen Vertrauten, aber die Sache hat sich herumgesprochen. Es heißt, er bereite eine Erklärung vor, nicht für heute und morgen, es dauert vielleicht noch ein paar Jahre, doch er berät sich mit seinen Theologen ... «
»Hm, hm!« grunzte Hieronymus kauend. 
»Aber damit nicht genug, er will anscheinend noch weiter gehen und sogar behaupten, daß auch die Hölle erst am Jüngsten Tage geöffnet werde, nicht einmal die Teufel kämen vorher hinein ... « 
»Herr Jesus, steh uns bei!« rief Hieronymus voller Entsetzen. »Und was sollen wir dann den Sündern erzählen, wenn wir ihnen nicht mehr damit drohen können, daß sie gleich nach dem Tod in die Hölle kommen?« 
»Wir sind in den Händen eines Irren«, stellte Ubertin fest. »Aber ich verstehe nicht recht, warum er das alles behaupten will ... « 
»Die ganze Ablaßlehre bricht zusammen«, lamentierte Hieronymus. »Auch er selbst wird keinen Sündenablaß mehr verkaufen können! Denn wieso sollte ein Priester, der Schamlosigkeiten begangen hat, so viele Goldpfunde zahlen, um einer Strafe zu entgehen, die noch so fern ist?!« 
»So fern nun auch wieder nicht«, widersprach Ubertin. »Die Zeiten sind nahe!« 
»Das weißt vielleicht du, lieber Bruder, aber die Laien wissen es nicht, da liegt doch das Problem!« erregte sich der Bischof von Kaffa, und es sah gar nicht mehr aus, als ob er sein Mahl noch genieße. » Was für eine unselige Idee! Das kommt bestimmt von diesen Predigerbrüdern ... oh, oh!« Er jammerte laut unter heftigem Schütteln des Kopfes. 
»Aber warum, aus welchem Grund will der Papst diese Dinge behaupten?« fragte nun auch Michael von Cesena.
»Ich glaube, es gibt dafür keinen vernünftigen Grund«, antwortete William. »Das Ganze ist eher wohl eine Machtprobe, die er sich selbst auferlegt, ein Akt seines Stolzes: Er will tatsächlich derjenige sein, der über Himmel und Erde entscheidet! Ich wußte bereits von diesen Gerüchten, William von Ockham hatte sie mir geschrieben. Aber warten wir ab, wer sich am Ende durchsetzen wird: der Papst oder die Theologen, die Stimme der ganzen Kirche, die Wünsche des christlichen Volkes, die Bischöfe ... « 

Umberto Eco, wahrscheinlich der umfassend gebildetste Mensch seiner Zeit, war kein Freund der katholischen Religion.
Das wird ja auch in dem Ausschnitt deutlich, in dem die abweichende Position von Johannes XXII. nur deswegen kritisiert wird, weil man sonst den Sündern nicht mehr mit der Hölle drohen könnte und der Ablaßhandel zusammenbrechen würde.
Diese Erklärung ist natürlich hanebüchener Unsinn.
Trotzdem ist der Roman sehr empfehlenswert (das Buch, nicht die Filme!). Vordergründig geht es um einen Kriminalfall in einem Kloster. Im Hintergrund spielen aber die kirchengeschichtlichen und philosophischen Fragen der Zeit (Stichwort: Nominalismus) die Hauptrolle.

Worum ging es bei dem Streit zu Beginn des 14. Jahrhunderts?

In dieser schwierigen Zeit (Barbara Tuchmann, Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert, nennt sie "... eine gewalttätige, gequälte, verwirrte, leidende und zerfallende Zeit" -- ihre Monographie ist sehr lesenswert!), die neben der Pest, dem Beginn des 100-jährigen Kriegs und dem Wegzug der Päpste nach Avignon zugleich "La divina commedia" Dantes, Boccaccios "Dekamerone" und die Werke Giottos hervorbrachte, regierte Papst Johannes XXII. in Avignon. Seine schroffe Haltung im Armutsstreit hatte weite Teile der Kleriker und Laien aufgebracht. Auch das Kardinalskollegium hatte er sich zum Feind gemacht, das ernstlich überlegte, ein Konzil zur Abberufung des Papstes einzuberufen (die Frage des sog. Konziliarismus spielte dann 100 Jahre später eine entscheidende Rolle).

Johannes XXII. erregte gegen Ende seines Lebens 1331/1332 erneut Anstoß, als er in Predigten behauptete, daß die Seelen der Gerechten nicht sofort nach dem irdischen Tod, sondern erst zum Jüngsten Tage der vollen Anschauung Gottes teilhaftig werden. Er äußerte seine abweichende theologische Meinung in zwei Predigten. In einer dritten Predigt behauptete er sogar, daß auch die Dämonen und die verworfenen Menschen erst nach dem allgemeinen Gericht am Jüngsten Tag ihre ewige Höllenstrafe antreten würden.
Hierauf gab es einen großen Widerstand der Kleriker und Theologen. Es gab etliche Gutachten gegen die päpstliche Meinung. Die französische Regierung nahm 1333 eindeutig Stellung gegen den Papst und wollte ihn der Ketzerei anklagen (Avignon liegt ja im Machtbereich des französischen Königs). Daraufhin berief auch der Papst eine Kommission von Kardinälen und Theologen, um die Frage zu klären. Er erklärte, seine Meinung widerrufen zu wollen, wenn sie der allgemeinen Lehre der Kirche entgegenstehe. Das geschah dann tatsächlich einen Tag vor seinem Tod. Er widerrief in Gegenwart des Kardinalskollegiums feierlich seine Auffassung. Der Widerruf wurde dann von seinem Nachfolger Benedikt XII. als Bulle veröffentlicht ("Ne super his", DH 990), der dann 1336 eine Konstitution zu demselben Thema veröffentlichte ("Benedictus Deus", DH 1000).




Was lernen wir aus dem kurzen Ausflug in die Kirchengeschichte?
Die Frage nach der "visio beatifica" bzw. nach dem Zeitpunkt, ab wann die Verworfenen bestraft werden, mag eine untergeordnete dogmatische Bedeutung haben.
Interessant ist hier zu sehen, wie damals die Kirche auf eine päpstliche Meinung reagierte, die zwar als Predigt geäußert, jedoch keine feierliche lehramtliche Erklärung seitens des Papstes darstellte.
Die Kirche reagierte allergisch!
Denn keine Aussage eines Papstes darf der katholischen Lehre widersprechen.
In der Geschichte gab es Päpste, die theologisch unsauber oder ausweichend schrieben.
Aber die katholische Lehre ist aus einem Guß und duldet keine Widersprüche, weder im ordentlichen, noch im außerordentlichen Lehramt.
Und Johannes XXII., zu seiner Zeit eher Politiker als Theologie, unterwarf sich der Lehre der Kirche ...

18 Dezember 2021

Die Veränderung der Rubriken im Meßbuch


Am heutigen Quatembersamstag (wie auch schon am letzten Mittwoch) fällt dem »rubrikensensiblen« -- das ist keine Krankheit! -- Zelebranten vielleicht die Veränderung bei den Kniebeugungen in der Vormesse auf. In der heutigen Liturgie spricht der Zelebrant das Kyrie, danach Oremus. Flectamus genua, kniet nieder, erhebt sich zum Levate und betet die Oration. So vor allen fünf Lesungen.
In der Ausführung dieser alten Sitte, also vor der amtlichen Oration des Priesters nach Aufforderung zum Niederknien eine kurze Zeit still zu beten, hat sich etwas in den Rubriken vor und nach 1960/1962 verändert. Die Quatembertage gehören zum ältesten Bestand der römischen Liturgie, und das stille Beten vor der Oration ist ebenfalls sehr alt (s. das »Gesetz der Erhaltung des Alten in liturgisch hochwertiger Zeit« von Anton Baumstark) und ist bis heute sogar im NOM erhalten (bei den feierlichen Karfreitagsfürbitten).


Nach den Anweisungen des Missale vor 1960/62, also im MR 1920 und auch schon vorher (Ritus servandus V, 4) spricht oder singt der Zelebrant das Oremus in gewöhnlicher Weise (Ausbreitung der Hände etc.), dann Flectamus genua, stützt beide Hände auf den Altar und macht mit einem Knie eine kurze Kniebeugung zum Missale hin, erhebt sich sogleich aber wieder (»sine mora surgens«) bei der Antwort Levate und betet die Oration.

Im Meßbuch von 1960/62 ist die Anweisung verändert. Der Priester spricht ebenfalls Oremus. Flectamus genua, kniet dann aber, die Hände auf dem Altar abstützend, mit beiden Knien nieder und betet mit gefalteten Händen eine Weile still. Dann erhebt er sich wie bekannt zum Levate und betet die Oration.


Die Zeremonie im Meßbuch von 1960/62 ist sicherlich aussagekräftiger und entspricht eher der ursprünglichen Praxis, wie sie bei den großen Fürbitten in der Karfreitagsliturgie noch sichtbar ist.
Im vorhergehenden Meßbuch von 1920 sieht man die allgemeine Abschleifung ehemals eindrucksvoller Gesten und Handlungen, die dann bis in die 60er Jahre aus dem längeren Knien oder gar Liegen eine kurze Kniebeugung mit dem rechten Bein gemacht haben.

Im Laufe der Zeit wurde etliche liturgische Anweisungen ergänzt, korrigiert oder neu gefaßt.
Hier ein Beispiel aus dem Herzstück der Liturgie, der Konsekration.

Bei der hl. Wandlung ergreift der Zelebrant die Hostie, erhebt die Augen, macht eine Kopfverneigung bei den Worten »tibi gratias agens« und bezeichnet die Hostie mit dem Kreuzzeichen, bevor er die hl. Konsekrationsworte spricht. Die Kopfverneigung, obwohl schon immer gemacht und auch in den älteren Rubrikenbüchern erwähnt, stand allerdings bis 1920 nicht in den roten Anweisungen (Rubriken) im Text. Die zeremonielle Überlieferung ging also der Normierung voraus.

In der Rubrikenreform Pius X., im Zuge dessen u. a. eine Neuausgabe des Meßbuchs erschien (erst 1920 nach seinem Tod unter Benedikt XV.), ist die Kopfverneigung nun in den Rubriken aufgeführt (s. u.).
Alle diese Änderungen, Ergänzungen, Korrekturen etc. in den Meßbüchern vor 1920, zwischen 1920 und 1955, zwischen 1955 und 1960/62 und dann zuletzt im MR 1960/62 greifen aber nicht in den liturgischen Text ein.
Die Einfügung des hl. Joseph in den Kanon 1962 war in der Hinsicht ein ungeheurer Bruch mit der Tradition, den Kanon auf jeden Fall unverändert zu lassen.
Aber das ist eine andere Geschichte.

17 Dezember 2019

Aktuelle Fragen zur Liturgik und Rubrizistik --
Darf ich heute zu Messe und Offizium die Farbe Rosa benutzen?

Am heutigen Dienstag sieht der liturgische Kalender die Wiederholung der letzten Sonntagsmesse Gaudete vor (ohne Alleluia+Vers und ohne Credo).
Am Sonntag waren rosa Gewänder erlaubt. Gilt das auch für die Wiederholung der Sonntagsmesse in dieser Woche (am Dienstag und Donnerstag -- Montag war das Fest des hl. Eusebius, Mittwoch und Freitag sind Quatembertage, Samstag das Fest des hl. Thomas)?
Unser Blick geht zunächst in das Meßbuch und in die meistens dort abgedruckten Generalrubriken der Messe.
Wir nehmen ein älteres Missale und finden nichts. Unter Kap. XVIII werden die liturgischen Farben aufgezählt, jedoch ohne Erwähnung von Rosa. Gaudete (und Laetare) wird in Kap. XIX erwähnt, da geht es um den Einsatz der geschürzten Gewänder (planetae plicatae), von denen eben an Gaudete Abstand genommen wird (und wo die Gaudetemesse in der Woche wiederholt wird!).
Ansonsten keine Erklärung der rosa Farbe.
Wir schauen weiter und nehmen uns das Caeremoniale für die Bischöfe vor. Hier werden wir fündig: Caer. Ep. II, Kap. XIII,11 erlaubt die Verwendung von Rosa am 3. Adventssonntag. Und da die überlieferte Liturgie streng von oben nach unten, angefangen beim Pontifikalamt bis zur gelesenen Messe, denkt, wird diese Norm auf alle anderen "Meßarten" angewendet. Zuletzt hat dies auf Nachfrage die Ritenkongregation 1901 geklärt (SRC Nr. 4048,III).
Und wie sieht es dann an den Werktagsmessen der 3. Adventswoche aus, die den 3. Adventssonntag wiederholen?
Hier haben wir keine klaren gesetzlichen Vorgaben gefunden (Wer mehr weiß, bitte melden!). Allerdings erwähnt das Rubrikenbuch von Hartmann (Repertorium rituum) die Farbe Rosa für den Montag, Dienstag und Donnerstag jener Woche, dazu den möglichen Einsatz der Orgel und die Dalmatik und Tunicella statt planetae plicatae.
Diese Aussage ist durchaus logisch.
Zum einen trägt die wiederholte Sonntagsliturgie an den Werktagen stets die Farbe des Sonntags (es sei denn, der vorhergehende Sonntag wurde durch ein Fest ohne Oktav verdrängt). Zum anderen erwähnen die Generalrubriken zur Messe den Wegfall der geschürzten Gewänder gerade auch an den Werktagen, wo Gaudete wiederholt wird.
Somit kann nach den älteren Vorschriften auch an den Montagen, Dienstagen und Donnerstagen, an denen die Gaudetemesse wiederholt wird, Rosa getragen werden.
Das galt allerdings nur bis 1960.
Von da an hat sich der liturgiepositivistisch-normativrubrizistische Weg (wie so oft!) vereinfacht.
In den neugefaßten Generalrubriken von 1960 findet sich eine klare Aussage: Die Farbe Rosa wird erstmals erwähnt und ist ausschließlich an den Sonntagen Gaudete und Laetare in Messe und Offizium erlaubt, nicht jedoch an den anderen Tagen (Nr. 131).
Auch diese Neuregelung macht Sinn. Rosa versinnbildlicht ein aufgehelltes Violett und steht an Gaudete und Laetare für ungefähr den halben Weg hin zum Fest (Weihnachten, Ostern). Rosa eröffnet also den Blick auf die weihnachtliche/österliche Freude und soll für die noch vor uns liegende Vorbereitungszeit Kraft und Freude schenken. Diese Farbe ist jedoch eigentlich nur sinnvoll, wenn sie wirklich an der Hälfte des Weges steht (denn danach wird ja wieder in Violett umgeschwenkt). Bei den liturgischen Tagen der dann folgenden Woche mit der Wiederholung des Sonntags ist diese Markierung der Hälfte so nicht mehr gegeben.
Übrigens, die Verwendung von Rosa war und ist nicht vorgeschrieben. Man kann stattdessen auch immer Violett nehmen.

10 Februar 2019

Papst Pius XI. (1857-1939)

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Erinnert sei am heutigen Tage auch an den 80. Todestag von Papst Pius XI. am 10.2.1939.
Hilfreich für uns ist unter anderem seine Enzyklika "Mortalium animos" vom 6.1.1928. So schreibt der Papst:
" ... Ganz ähnlich wollen nun einige auch auf dem Gebiet vorgehen, das der von Christus dem Herrn festgelegten Ordnung des Neuen Bundes unterliegt. Durch die Erkenntnis der Tatsache, daß es nur sehr wenige Menschen gibt, denen jeder religiöse Sinn abgeht, glauben sie sich zu der Hoffnung berechtigt, es werde sich bei aller Verschiedenheit der Völker bezüglich der religiösen Ansichten doch ohne Schwierigkeit eine brüderliche Übereinstimmung im Bekenntnis gewisser Wahrheiten als gemeinsamer Grundlage des religiösen Lebens erreichen lassen. Zu diesem Zwecke halten sie vor einer zahlreichen Zuhörerschaft Konferenzen, Versammlungen und Vorträge, zu denen sie alle ohne jeden Unterschied zur Aussprache einladen: Heiden jeder Art und Christen, und endlich auch jene, die unseligerweise von Christus abgefallen sind oder die seine göttliche Natur und seine göttliche Sendung erbittert und hartnäckig bekämpfen.
Derartige Versuche können von den Katholiken in keiner Weise gebilligt werden. Sie gehen ja von der falschen Meinung jener aus, die da glauben, alle Religionen seien gleich gut lobenswert, weil alle, wenn auch in verschiedenen Formen, doch gleichermaßen dem uns angeborenen und natürlichen Sinn Ausdruck geben, durch den wir nach Gott verlangen und uns seiner Oberherrschaft gehorsam unterwerfen. Die Vertreter solcher Ansichten sind nun nicht nur in Irrtum und Selbsttäuschung befangen, sondern sie lehnen auch die wahre Religion ab, indem sie ihren Begriff verfälschen. Auf diese Weise kommen sie Schritt für Schritt zum Naturalismus und Atheismus. Daraus ergibt sich dann ganz klar die Folgerung, daß jeder, der solchen Ansichten und Bemühungen beipflichtet, den Boden der von Gott geoffenbarten Religion vollständig verläßt ..."
Das sind Worte aus dem Munde eines Stellvertreters Christi, die ganz mit der überlieferten Lehre der Kirche übereinstimmen und uns bis heute eine wichtige Richtschnur in dieser turbulenten Zeit sind ...

30 Januar 2019

Das Beichtsakrament — einige praktische Ratschläge für eine fruchtbare Beichte


1. Im Beichtsakrament werden nur diejenigen Sünden vergeben, die man bereut und vor dem Priester bekennt (oder bekennen wollte, sie jedoch bspw. in der Beichte vergißt). Daher ist eine gründliche Vorbereitung auf die Beichte unerläßlich. Hier helfen verschiedene Beichtspiegel, z. B. die kleine Broschüre von P. Ramm FSSP oder auch ein Beichtspiegel in den Laienmeßbüchern (z. B. im „Schott“). Die Beschäftigung mit der Sünde schärft das Gewissen und macht den Gläubigen sensibler für alles das, was in einem ungeordnet ist und mit der Hilfe Gottes überwunden werden soll. Wer keine Beichtpraxis hat, weiß daher in der Regel nicht, was er beichten soll. Grundsätzlich sollte man mindestens einmal im Monat, besser alle 1-2 Wochen zur Beichte gehen, auch wenn man der Meinung ist, nur kleinere läßliche Sünden begangen zu haben. Dazu sollte mindestens einmal im Leben eine sog. Lebensbeichte abgelegt haben, besser ist eine mehrmalige „Lebensabschnittsbeichte“ entlang der biographischen Einschnitte oder Stationen alle paar Jahre oder Jahrzehnte. Hier geht es darum, auch aus der Tiefe seiner Vergangenheit die persönlichen Sünden hervorzuholen, so weit es möglich ist. Sünden, die tatsächlich im Laufe des Lebens vergessen wurden (das können eigentlich keine wirklich schweren Sünden sein, an die ich mich ja erinnern würde) oder im Dunkel der Zeit vor der Bekehrung liegen, kann man natürlich nicht beichten. Diese Sünden sind allein der Barmherzigkeit Gottes anzuvertrauen. Er sieht unseren guten und schwachen Willen und unsere Mühe.
Einen Priester, der „von allen Sünden“ losspricht, sollte man auf die falsche Absolutionsform hinweisen und, falls er nicht einsichtig ist, als Beichtvater meiden.

2. Zur Vollständigkeit einer Beichte gehört auch, daß ich alle mir bekannten Sünden bekenne und bereue (zur Erweckung der Reue gibt es in den Büchern schöne Gebete). Es ist unmöglich, bei mehreren schweren Sünden nur einen Teil zu bekennen. Schwere Sünden können nur gemeinsam vergeben werden. Wer bspw. einen versäumten Meßbesuch am Sonntag beichtet, zugleich aber seine Geschlechtsgemeinschaft ohne Ehe verschweigt, dem kann auch die erste schwere Sünde nicht nachgelassen werden. Alle schweren Sünden bilden eine Einheit, jede einzelne schwere Sünde jedoch zerstört die Kindschaft Gottes und beraubt die Seele der heiligmachenden Gnade. Es ist also unmöglich, in einer Seele den Gnadenstand aufgrund der Beichte einer Sache wieder herzustellen, in einer anderen Sache jedoch den Gnadenstand in derselben Seele zu verweigern. Entweder werden also alle schweren Sünden bereut, bekannt und vergeben (und die heiligmachende Gnade kehrt zurück in die Seele) oder gar keine.
Man kann sich zur Beichtvorbereitung einen Notizzettel erstellen, um bei der Beichte nichts zu vergessen. Einfacher ist die Notizfunktion im Smartphone, so daß ich nach der Beichte die Aufzählungen freudig löschen kann …

3. Zur Vollständigkeit der Beichte gehört ebenfalls das Bekenntnis nach der Art der Sünde, Zahl und evtl. der Umstände. Es ist nicht angemessen, lange Erklärungen abzugeben. Gott weiß um die Sünde und das Bekenntnis. Allein der Priester muß die Schwere der Sünde beurteilen können. Dafür ist nicht nur die Art der Sünde wichtig (auch in ihrer Vollständigkeit: Habe ich ein Seil gestohlen oder war daran auch noch eine Kuh angebunden?), sondern auch die Häufigkeit (Habe ich einmal die Sonntagsmesse ohne Entschuldigung versäumt oder war ich ein ganzes Jahr nicht in der hl. Messe?). Manchmal sind zur Beurteilung die Umstände der Sünde wichtig, doch wird hier der Priester bei Unklarheiten nachfragen.
Also: Je knapper und punktgenauer das Bekenntnis ist, desto besser war die Vorbereitung! Und bitte keine langen Erklärungen oder gar Relativierungen! Wenn Beichtgelegenheit vor der hl. Messe ist, gibt es nicht die Zeit für lange Gespräche. Wer wirklich länger mit dem Priester sprechen möchte, vereinbart einen gesonderten Beichttermin. Hierzu gehören auch die Formen von geistlicher Beratung und Seelenführung, die jedoch von einer sakramentalen Beichte zu unterscheiden sind.
Zum Beichtvater ist zu sagen: Er hat nicht in der Sünde des Beichtenden herumzurühren und neugierige Fragen zu stellen, gerade auch nicht im sechsten Gebot. Der Priester übt im Beichtstuhl eine richterlicher Funktion aus; die sakramentale Lossprechung ist ein richterlicher Akt, es geht hier nicht um Lebensbegleitung, Seelenführung, Therapie o. ä.
Ebenso anstößig ist es, wenn der Priester im Beichtstuhl die Gelegenheit zu einer ausführlichen persönlichen Katechese und Predigt nutzt, so nach dem Motto: Hier kann mir der Gläubige nicht entwischen! Der Priester sollte evtl. einen kurzen Rat und eine Mahnung geben, nicht mehr.

4. Der Gläubige sollte sich nicht zieren, immer wieder seine läßlichen Gewohnheitssünden bzw. Hauptfehler zu beichten. Diese sind im geistlichen Leben die Hauptfeinde. Ein guter Katholik sollte in der Lage sein, die schwere Sünde zu meiden. Denn nur so kann er im geistlichen Leben vorankommen. Ein „schwerer Fehltritt“ hin und wieder ist jedoch bei den meisten Menschen Realität. Dann heißt es sofort zur Beichte gehen und nach dem Fall wieder aufstehen und weiterkämpfen! Doch der Kampf gegen tiefsitzende läßliche Sünden ist schwer. Nun entwickeln sich gewohnheitsmäßige läßliche Sünden ihrer Qualität nach mit der Zeit zu schweren Sünden. Beispiel: Wer als Autofahrer im Straßenverkehr nicht defensiv genug fährt und hin und wieder schlecht über seine Mitmenschen auf der Straße denkt, begeht in der Regel „nur“ eine läßliche Sünde. Bei wem diese Haltung aber verfestigt ist, der wird sich mit der Zeit immer mehr zu einem Verkehrsrüpel entwickeln und wahrscheinlich dann auch andere Verkehrsteilnehmer gefährden oder sogar gegen sie fluchen. Das sind schwere Sünden. Die Gewohnheitssünde ist häufig der Nährboden, auf dem schwere Sünden wachsen können. Daher sollte man Gewohnheitssünden erst gar nicht entstehen lassen. Wenn sie sich jedoch schon eingepflanzt haben, müssen sie immer wieder, Woche für Woche, gebeichtet werden mit dem Vorsatz, sie durch die Hilfe und Gnade Gottes zu vernichten. Manchmal kann so etwas Jahre dauern. Das ist natürlich erst recht von gewohnheitsmäßigen schweren Sünden (z. B. im sechsten Gebot) zu sagen. Wer immer wieder die gleiche Art von Sünde beichten muß, empfindet vielleicht Scham und Resignation. Man sollte in sich jedoch vielmehr kindliche Dankbarkeit und Zerknirschung gegenüber Gott erwecken, da Er uns immer wieder die Sünde vergeben will. Außerdem ist die häufige Beichte von Gewohnheitssünden auch eine gute Gelegenheit, verborgenen Hochmut und Stolz in uns zu zerstören, sollten wir eventuell meinen, im geistlichen Leben schon fortgeschritten zu sein.

5. Die Beichte sollte nach Möglichkeit und Gegebenheiten in einem Beichtstuhl mit Gitter stattfinden. Die Wichtigkeit der Anonymität besteht auf beiden Seiten. Zum einen ist sie ein Schutz des Beichtenden, so daß er sich ohne Scham und Ansehen der Person ganz öffnen kann. Zum anderen, und das wird häufig nicht bedacht, ist die Anonymität auch ein Schutz für den Priester. Er, dem Einblicke in die tiefsten und dunkelsten Zustände der ihm anvertrauten Seelen zugemutet wird, benötigt eine gesunde Distanz, um seine Aufgabe zu erfüllen. Hinzu kommt, daß der Priester auch nicht immer frei ist von persönlicher Betroffenheit oder gar Scham über die vor ihm aufgedeckte Sünde.

6. Der Priester hat die Pflicht, dem Büßenden eine angemessene Buße aufzuerlegen. Nach der Vergebung der Sünden durch die Lossprechung sind ja noch die zeitlichen Sündenstrafen abzuleisten (so wie ja ein angerichteter Schaden ersetzt werden muß, auch wenn ich ihn bereue). Diese werden (z. T.) durch das Bußwerk nachgelassen (wenn das Bußwerk dem Maße der zeitlichen Sündenstrafe entspricht, d. h., der Priester kann bei einer schweren Sünde nicht einfach ein kurzes Vaterunser als Bußwerk aufgeben). Dazu bewirkt das Bußwerk (die sakramentale Genugtuung) auch noch einen übernatürlichen göttlichen Beistand zur leichteren Vermeidung der Sünden und eine Erhöhung des Gnadenstands. Es war jedoch immer schon Tradition der Kirche, beim Bußwerk eher Milde als zu große Strenge walten zu lassen.
Einen Priester, der kein Bußwerk aufgibt, sollte man auf seinen Fehler aufmerksam machen und ihn bei mangelnder Einsicht meiden.