AUS DEM LABOR DER GUTEN SITTEN
Ich wage mich heute einmal auf ein schwieriges Feld, das der korrekten Anrede von Geistlichen.
Schwierig, weil es im allgemeinen öffentlichen (ich sage nicht: gesellschaftlichen) Verkehr recht ungezwungen zugeht, man von Werbeplakaten und Durchsagen in Geschäften geduzt oder Begegnungen Erwachsener stets durch ein kindisches "Hallo" und "Tschüß" umrahmt sind.
Schwierig auch, weil ich als Priester eigentlich nicht darüber reden kann, wie man Geistliche richtig anspricht — da schwingt etwas persönlich Betroffenes oder Gekränktes mit, was ich aber nicht so empfinde.
Ich schreibe nun darüber, weil ich schlicht davon ausgehe, daß hier größtenteils Unkenntnis vorherrscht, die ich beheben will.
Der Text, den ich Ihnen mitschicke, stammt aus dem kleinen Büchlein von P. Ludwig Hertling SJ, Priesterliche Umgangsformen, 1951.
Man muß etliches zeitbedingt betrachten, trotzdem kann man auch heute noch daraus lernen.
Zur Anrede:
Wenn ich als "Herr Dembski" angesprochen werde, ärgerte mich das früher.
Heute nicht mehr, ich sehe (von sehr wenigen Fällen einer bewußten antiklerikalen Provokation einmal abgesehen) hier Unkenntnis und Unsicherheit.
Die Anrede von Geistlichen ist im Deutschen kompliziert.
In anderen Ländern heißt es schlichtweg Father, Padre etc.
Im Deutschen braucht man bei Nicht-Ordensleuten einen Titel, Herr Kaplan, Herr Pfarrer, Herr Pastor etc.
Und das wäre dann die korrekte Anrede. "Hochwürden" ist immer möglich, auch bei Ordensgeistlichen, gilt aber in modernen Kirchenkreisen als sehr antiquiert — was nicht dagegen spricht.
Warum ist die korrekte Anrede von Geistlichen wichtig?
Naja, zunächst ist die Anrede jeder Person wichtig, auch gegenüber akademischen Titeln oder dem Adel und zeugt von guter Kinderstube, allen plebejischen und vulgären Tendenzen der heutigen Zeit zum Trotz.
Bei Priestern kommt m. E. noch eine geistliche Komponente hinzu.
Die Priesterweihe formt einen Menschen komplett um, man ist immer Priester.
Das zeigt die richtige Anrede, man ist keine bürgerliche Person mehr (wenn man natürlich seine bürgerlichen Rechte innerhalb des Staates behält).
Als "Herr Dembski" kann ich keine Messe zelebrieren, keine Beichte hören oder segnen etc.
Das kann ich nur als Priester, der ich immer bin.
Die Anrede, gerade "Hochwürden", ist dazu auch immer eine Erinnerung und Mahnung ("Exzellenz" beim Bischof umso mehr) des Trägers dieser Anrede.
Eine Mahnung also, seiner Priesterwürde immer gerecht werden zu wollen, auch wenn das ein Ideal bleibt.
Der Mann redet niemals von sich selbst als "Herr".
Manchmal hört man das bei geschäftlichen Anrufen: "Guten Tag, hier ist Herr Schulze von der Versicherung X."
(Noch schlimmer: "Hier ist DER Herr Schulze" — nach hochdeutscher Grammatik sind alle Eigennamen determiniert und haben keinen Artikel, Vorstellungen mit: "... und das ist die Susanne" sind heute Legion und wahrscheinlich nicht mehr abzustellen.)
Das mag den Kommunikationsrichtlinien des Unternehmens geschuldet sein, ist aber sehr unfein.
Der Mann nennt also nur seinen Nachnamen.
Ich selbst muß zugeben, daß ich das am Diensttelefon nicht immer strikt einhalte und mich auch mit "Pastor Dembski" melde, allein, um Fremden gegenüber deutlich zu machen, daß sie nun richtig verbunden mit der Kirche sprechen.
Frauen dürfen sich selbst "Frau N." nennen.
Für mich klingt das immer etwas bourgeois , riecht nach Bürgerstolz.
Aber es ist möglich.
Zum Thema Anreden etc. könnte ich noch seitenweise schreiben, nur noch eine Anmerkung.
Ich selbst bin übrigens ein großer Freund des Siezens (dazu wollte ich auch mal wieder einen Podcast aufnehmen, fällt mir gerade ein) und sieze auch Minderjährige ab etwa 14 Jahren.
Für mich hat das etwas mit Respekt gegenüber dem anderen zu tun, sei er volljährig oder nicht.