Astitit regina a dextris tuis in vestitu deaurato,

circumdata varietate. (Ps. 44, 10b)


Gedanken über die Schönheit und Reinheit

des katholischen Glaubens und der Liturgie

22 August 2018

Die Orientierungslosigkeit der heutigen Katholiken oder die Frage nach der katholischen Lebensform

Immer wieder wird in traditionstreuen Kreisen richtigerweise auf die Verbindung von Liturgie und Dogma hingewiesen. Als Gewährsmann steht hier der gallische Mönch Prosper von Aquitanien, der zwischen 435 und 442 den Grundsatz überlieferte: „… ut legem credendi lex statuat supplicandi — damit die Regel des Betens die Regel des Glaubens bestimme. Wenn Prosper von Aquitanien auch lediglich die öffentlichen Fürbitten der Kirche (lex supplicandi) erwähnt, besitzt die ganze Liturgie, nicht nur einzelner Texte, in ihrer Grundintention die Beweiskraft für die Frage nach dem authentischen Glaubensinhalt (Fiedrowicz, Michael, Theologie der Kirchenväter. Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflexion, Freiburg 2007, 248). Aus dem Glaubensvollzug der Liturgie ist also der Glaubensinhalt zu erschließen. Wenn die Liturgie, das offizielle Beten der Kirche, den Glauben zum Ausdruck bringt, ist sie jedoch nicht Norm des Glaubens, sondern Bezeugung des Glaubens und Quelle theologischer Erkenntnis (Ebd., 251). Denn das rechte Gebet setzt schließlich den Glauben der Kirche voraus und bringt ihn zum Ausdruck. Dieser letzte Gedanke hat dann Papst Pius XII. dazu geführt, in seiner Liturgieenzyklika Mediator Dei aus dem Jahr 1947 den Satz des Prosper von Aquitanien auch umzudrehen: Durch das Gesetz des Glaubens soll das Gesetz des Betens bestimmt werden. Während sowohl Prosper von Aquitanien im 5. Jahrhundert als auch der heiligmäßige Papst in der Mitte des 20. Jahrhunderts hatten selbstverständlich den überlieferten apostolischen Glauben in der Tradition der Kirche vor Augen, der in einer Wechselbeziehung zum liturgischen Beten steht. Dieses symbiotische Verhältnis von Liturgie und Dogma kann aber auch mißbraucht bzw. pervertiert werden. Wir sehen es deutlich spätestens seit den letzten 50 Jahren. Wo das Glaubensgut verundeutlicht oder abgeschwächt wird, hat es auch Auswirkungen auf die Liturgie. Die Liturgie wird verändert, nicht in einem organischen Sinn, sondern als Überlieferungsabbruch, Neuerung (so wie Paul VI. von der „Neuen Messe“ sprach). Eine „neue“ Liturgie kann umgekehrt nicht wirkungslos auf den Glauben sein — wir sehen den Glaubensabfall der Katholiken spätestens seit dem II. Vaticanum. Eine „neue Messe“ bringt auch einen „neuen Glauben“ hervor, samt „neuem Katechismus“ und „neuem Kirchenrecht“.

Was ist also in der heutigen Zeit der Orientierungslosigkeit zu tun?
Am überlieferten Glauben und an der überlieferten Liturgie ist festzuhalten. Reicht das? Nein. Der Lehrsatz von lex orandi und lex credendi ist hinlänglich bekannt. Man müßte ihn allerdings erweitern. Denn zur lex credendi, zum rechte Glauben, gehört als Konsequenz eine lex vivendi vel agendi, ein Gesetz des (richtigen) Lebens oder Handelns. Ich kann nicht den überlieferten Glauben haben und zugleich eine unangemessene Lebensweise. Deshalb gehört seit dem Tridentinischen Konzil die Moraltheologie zur systematischen Theologie mit dem Hauptfach Dogmatik. Diese beinhaltet die Glaubenslehre und Dogmen, jene die aus der Offenbarung stammenden Normen und Anweisungen für das sittliche Handeln. Dieses Handeln schlägt sich dann auch wieder in entfernteren liturgischen Diziplinargesetzen nieder, wie bspw. den Regeln für einen würdigen Kommunionempfang (frei von schwerer Sünde, Nüchternheitsgebot) oder den verbindlichen Festtagen mit ihrer Meßverpflichtung für die Gläubigen. So schließt sich der Kreis über Liturgie-Glaubensgut-moralisches Leben wieder hin zur Liturgie. Der traditionsverbundene Katholik wird also nicht nur die „alte Messe“ aufgrund ihrer Schönheit, Klarheit, Wahrheit und Reinheit besuchen, er erkennt in ihr und durch sie zugleich den überlieferten Glauben, der bis auf die Apostel zurückgeht. Dann aber sieht er auch die Aufforderung, diesem Glauben, ausgedrückt im „gefeierten Dogma“ der heiligen Liturgie, durch sein eigenes Leben zu entsprechen, nach den moralischen Normen der Kirche und durch ein angemessenes sittliches Leben entsprechend dem Evangelium und dem Aufruf, sich zu heiligen bzw. heiligen zu lassen. In all dem erkennt der Katholik die einzigartige katholische Lebensform.

Was ist abschließend zur Orientierungslosigkeit der heutigen Zeit zu sagen? Im Benedictus an jedem frühen Morgen im Offizium der Kirche ist vom „oriens ex alto“, dem Aufgang aus der Höhe, der uns heimgesucht hat, die Rede, Jesus Christus, der hinabgestiegen ist und Fleisch angenommen hat und den wir als oriens, als aufgehende Sonne am Ende aller Zeiten als Weltenrichter zurück erwarten. Nur Christus kann uns die einzig wahre Orientierung geben.